Minderung aus einem Kaufvertrag über ein Grundstück wegen fehlender Nutzbarkeit eines Gartenzugangsweges
LG Bochum, Urteil vom 05.08.2002, 6 O 175/02
Landgericht Bochum
Urteil vom 05.08.2002
6 O 175/02
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
GmbH ...
Klägerin zu 1)
AG ...
Klägerin zu 2)
./.
Frau ...
Beklagte zu 1)
Herrn ...
Beklagten zu 2)
Prozessbevollmächtigten: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum, LL.M.Eur., LL.M., Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2002 durch den Richter am Landgericht ... als Vorsitzender, den Richter am Landgericht ..., den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagten erwarben von den Klägern im Rahmen der Errichtung einer Eigenheimsiedlung auf dem Zechengelände "Friedlicher Nachbar" in B. ein Einfamilienhaus. In dem zugrunde liegenden notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 01.02.1999 - Urkunden-Rolle Nr. ... des Notars ... in B. (Blatt 1 bis 43 Anlagenband) ist ein Kaufpreis von 369.500,00 DM vereinbart.
Hinsichtlich der Gartenzugangswege enthält der notarielle beurkundete Vertrag auszugsweise folgende Regelung:
"1. Die veräußerten Gartenzugangswege stehen den Erwerbern der Häuser 84 bis 144 in Bruchteilseigentum zu.
2. Erwerber verpflichtet sich, gemeinsam mit den anderen Erwerbern weiterer Miteigentumsanteile die Gartenzugangswege nur zum Gehen zu benutzen, um ihr jeweiliges Hausgrundstück zu erreichen. Die Benutzung mit Krankenfahrstühle ist gestattet."
Ausweislich des Besitzübergabe- und Abnahmeprotokolls (Blatt 44 bis 54 Anlagenband) erfolgte die Inbesitznahme des Hausgrundstücks durch die Beklagten am 24.08.2000.
Die Kläger begehren nun die Zahlung der letzten Kaufpreisrate in Höhe von 3,5 % des Kaufpreises, mithin in Höhe von 6.946,92 €. Sie forderten die Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 15.10.2001 erfolglos zur Zahlung dieses Betrages auf.
Die Beklagten übersandten mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.01.2002 (Blatt 64, 65 Anlagenverband) eine umfangreiche Mängelliste mit insgesamt 56 Mängeln. Wegen dieser Mängelliste wird auf Blatt 48 bis 50 der Akte ergänzend Bezug genommen. Hinsichtlich der genannten Mängel Nr. 13 bis 18 der Mängelliste setzten die Beklagten durch das genannte Anwaltsschreiben den Klägern eine Frist zur Beseitigung der Mängel bis zum 20.02.2002.
Die Kläger erkennen die Berechtigung der geltend gemachten Mängel nicht an und haben innerhalb der gesetzlichn Frist auch keine Mängelbeseitigungsarbeiten vorgenommen.
Insbesondere verweisen die Kläger auf die Regelung in § 2 Nr. 2 des notariellen beurkundeten Grundstückskaufvertrages, wonach der Bauträger berechtigt ist, im Rahmen der Bauausführung notwendige Änderungen vorzunehmen, die aufgrund behördlicher Anordnung oder aus technischen Gründen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit erforderlich sind.
Die Kläger behaupten, die von den Beklagten gerügten Mängel seien nicht vorhanden. Im übrigen sind sie der Auffassung, im Hinblick auf die Gartenzugangswege sei keine ebenerdige Erreichbarkeit des Weges geschuldet gewesen. Dass der Gartenweg hinter dem dem Grundstück der Beklagten oberhalb des Gartenniveaus liege, habe seinen Grund nicht in einem Planungsfehler, sondern in der Geländebeschaffenheit.
Der Kläger beantragt,
- die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Kläger als Gesamtgläuiger 6.946,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2001 zu zahlen;
- festzustellen, dass den Beklagten gegenüber den Klägern aus dem Kaufvertrag über das Hausgrundstück ... B. vom 01.02.1999 (UR-Nr. ... des Notars ... in B.) kein Zurückbehaltsrecht wegen der im Anwaltsschreiben des Rechtsanwalts Dahlbokum vom 28.01.2002 gerügten Mängel zusteht.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten sämtliche in der Mängelliste aufgeführten Mängel seien auch vorhanden und von der Klägerseite auch nicht beseitigt worden. Unter Bezugname auf einzelne dort genauer bezeichnete Punkte machten sie insbesondere geltend:
Die Eingangstür in der dem Haus vorgelagerten Lärmschutzwand sei nur 1,20 m breit anstatt wie vorgesehen 1,60 m. Statt einer komfortablen zweiflügeligen Holztür mit Teilverglasung sei dort nur eine einflügeluge Tür mit einem Guckloch eingebaut worden. Die Zuwegung zum Haus sei mit Pflastersteinen statt mit Betonsteinplatten ausgeführt worden. Die Carporthöhe betrage nur ca. 2,26 m statt 2,40 m. Außerdem wiesen die Stützbalken des Carports Risse auf. Die Regelfallrohe seien aus Kunststoff statt wie vertraglich vereinbart aus Zinkblech montiert worden. Zudem seien die Dachrinnen mangelhaft, da eine Traufbohle und ein Traufblech fehlten. Zudem lägen die unteren Dachpfannen derart auf einer hochkant aufgestellten Dachlatte auf, dass bei stärkeren Niederschlag das Wasser nicht in die Dachrinne, sondern darüber hinaus fließt. Darüber hinaus sammele sich wegen des Fehlers einer erforderlich Drainage Wasser im Kriechkeller und im Kellerersatzraum.
Schließlich sei der Gartenzugangsweg hinter dem Grundstück nicht ebenerdig angelegt worden, sondern bis zu 2 m höher. Aufgrund dessen sei eine Abstürzung durch L-Betonsteine erforderlich geworden. Aufgrund dieses Umstandes sei den Beklagten die Nutzung des Gartenweges unmöglich. Zudem gehe ihnen durch die Anlage der Stützmauer ein Teil der nutzbaren Gartenfläche verloren.
Die Beklagten erklären die Aufrechnung mit Minderungsansprüche und Schadensersatzansprüchen wegen der Mängelbeseitigungskosten, die - nach ihrer Behauptung - die Restkaufpreisforderung übersteigen. Hilfsweise stützen die Beklagten sich auch auf Zurückbehaltungsrecht.
Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die zu dem Akten gereichten Schriftsätze nebst deren umfangreichen Anlagen und die im Termin übergebenen Fotografien, Hülle Blatt 68 d. A. ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der mit dem Klageantrag zu 2) verfolgte Feststellungsantrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die Kläger haben kein schützenswertes Interesse an der Feststellung, dass den Beklagten wegen der geltend gemachten Mängel kein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Hinter diesem Antrag steckt ersichtlich die Überlegung der Kläger, nach Abschluss dieses Verfahrens sicher zu sein, dass die Beklagten wegen behaupteter Mängel an dem Kaufobjekt keine Gegenrechte mehr geltend machen können. Dieses Ziel können die Beklagten jedoch durch den allein auf ein eventuelles Zurückbehaltungsrecht der Beklagten gerichteten Feststellungsantrag selbst im Erfolgsfalle nicht erreichen. In diesem Fall wäre es nämlich nicht ausgeschlossen, dass die Beklagten nicht verjährte Minderungs- oder Schadensersatzansprüche aus dem Grundstückskaufvertrag geltend machen. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Kläger hinsichtlich der Feststellung bezüglich des Nichtbestehens nur eines der möglichen Gegenrechte der Beklagten vermag die Kammer nicht zu erkennen, da dies den Klägern angesichts des vorgestellten Ziels in keiner Weise weiterhilft.
Hinsichtlich der geltend gemachten Restkaufpreiszahlung ist die Klage unbegründet.
Den Kläger steht der geltend gemachte restliche Kaufpreisanspruch in Höhe von 6.946,92 € gem. § 433 Abs. 2 nicht zu. Aufgrund der erklärten Aufrechnung mit einem Minderungsanspruch der Beklagten wegen der fehlenden Nutzbarkeit des Gartenweges in die Klageforderung erloschen gem. §§ 387, 389 BGB.
Das Gericht kann es dahin stehen lassen, ob der Sachvortrag der Klägerseite im Schriftsatz vom 02.08.2002, mit dem erstmals substantiiert zu den zahlreichen in der Mängelliste gerügten und zudem in der Klageerwiderung vom 15.04.2002 nachvollziehbar dargelegten Mängeln Stellung genommen wird, insgesamt verspätet ist im Sinne der §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO.
Das Gericht kann es im Ergebnis auch offen lassen, ob alle oder einzelne in der Mängelliste bzw. in der Klageerwiderung aufgeführten Mängeln tatsächlich vorhanden sind oder nicht. Jedenfalls steht den Beklagten bereits wegen der fehlenden Gartenzugansgwegung ein Minderungsrecht gem. §§ 459, 462, 465, 472 BGB a. F. in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe zu.
Die Kläger als Veräußerer des Grundstücks haben nach dem Vertragswortlaut an die Beklagten auch den erstellten Gartenweg zu einem Bruchteil zu übertragen. In § 18 Nr. 2 des notariell beurkundeten Vertrags wird die Benutzbarkeit des Weges zum Gehen und zum Befahren mit Krankenfahrstühlen vorausgesetzt. Zwar lässt sich dem Vertragswortlaut nicht ausdrücklich entnehmen, dass dieser Gartenweg auf einer etwa gleichen Höhe mit dem Geländeniveau des Grundstücks der Beklagten angelegt werden soll. Allerdings ist aus Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung unzweideutig zu entnehmen, dass die Beklagten von ihrem Garten aus den Gartenweg auch erreichen können. Dies ergibt sich etwa aus der eingeräumten Benutzungsmöglchkeit für Krankenfahrstühle. Um mit einem Rollstuhl vom Garten auf den Gartenweg zu gelangen, kann allenfalls eine kleine Steigerung von bis 20 oder 30 cm überbrückt werden, nicht aber ein Höhenunterschied von mehr als 1 m, wie er hier unstreitig vorliegt. Durch die Aufstellung der L-Steine und den darauf angebrachten Drahtzaun - insoweit ersichtlich aus den Fotografien Hülle Blatt 68 d. A. - ist es allerdings den Beklagten unmöglich geworden, von ihrem Grundstück mit zumutbaren Mitteln den Gartenweg hinter ihrem Grundstück zu erreichen.
Allein aus diesem Grund steht den Beklagten bereits ein Minderungsrecht zu, dessen Höhe die Kammer anhand der Kaufpreishöhe und den voraussichtlichen Kosten für die Erstellung einer Treppenanlage zur Erreichbarkeit des Gartenweges vom Grundstück aus gem. § 472 BGB in Verbindung mit § 287 ZPO auf mindestens 7.000,00 € schätzt. Dies entspricht nicht einmal 5 % des Kaufpreises und erscheint im Hinblick auf die vorgenannten Auswirkungen nicht überhöht. Dieser Betrag übersteigt bereits den restlichen Kaufpreisanspruch der Kläger, so dass die Kammer auf die weiteren von den Beklagten gerügten Mängel nicht einzugehen braucht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO,
die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Anmerkung: Das Urteil wurde nicht rechtskräftig. Zur Berufungsentscheidung vgl. OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2003, 12 U 123/02