Kündigung der Geschäftsbeziehung nach § 26 AGB der Banken

Keine Rückzahlungsansprüche aus einem Girovertrag weil die Kündigung der Geschäftsbeziehungen nicht wirksam erklärt wurde

AG Bochum, Urteil vom 08.08.2003, 39 C 91/03

Nordrhein Westfalen Wappen

Amtsgericht Bochum
Urteil vom 08.08.2003
39 C 91/03

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

AG …

Klägerin

./.

Frau …

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dahlbokum und Dr. Stoppel, Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf

hat das Amstgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 08.08.2003 durch die Richterin am Amtsgericht ..
für Recht erkannt

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Die Klägerin kann de Zwangsvollstreckung vorläufig gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Höhe der Sicherheitsleistung bestimmt sich nach der zu vollstreckenden Forderung.

Tatbestand

Die Beklagte unterhält seit dem 31.03.1988 ein Girokonto mit der Nr. … bei der Klägerin. Ferner schloss die Klägerin mit der Beklagten in den Jahren 1997 und 1998 insgesamt Darlehensverträge über eine Gesamtsumme von 900.000,00 DM (= 460.162,70 €) ab. Hiervon sind zur Zeit noch 326.000,00 € zur Zahlung offen. Das Kapital setzte die Beklagte zur Finanzierung einer Immobilie ein. Sie zahlte für den Erwerb des Hauses … in B. des Jahres 1997 insgesamt 550.000,00 DM (= 281.210,53 €). Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Objekt in einem vermietbaren und einwandfreien Zustand.

Nach dem Erwerb der Immobilie begann die Beklagte mit einem behindertengerechten Umbau des Objekts. Für diesen Umbau gwährte die Klägerin im Wege einer Nachfinanzierung neben drei im Vorfeld des Hauskaufs gewährter Darlehen drei weitere Darlehen in Höhe von insgesamt 350.000,00 DM (= 178.951,00 €). Ursprünglich wollte die Beklagte mit ihrem Lebensgefährten und den schwerbehinderten Eltern in die Immobilie einziehen. Die Schwiegereltern verstarben jedoch im Jahre 1999. Für die Fertigstellung des Umbaus reichten die von der Klägerin gewährten Finanzmittel jedoch nicht aus, so dass sich das Objekt gegenwärtig in einem halbfertigen Zustand befindet.

Die Klägerin ließ sich von der Beklagten zur Sicherung ihrer Darlehensforderungen eine Grundschuld für die finanzierte Immobilie in Höhe von 700.000,00 DM (= 357.904,32 €) in das Grundbuch eintragen. Diese Grundschulden dienten nach der von der Beklagten am 30.09.1998 abgegebenen Zweckerklärung zur Absicherung der Forderungen der Klägerin. In Ziffer 3 des zur Grundschuld dazugehörigen Sicherungsvertrages verpflichtet sich die Beklagte, Mängelbeseitigung und Erneuerung innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen.

Mit Schreiben vom 25.10.2001 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die finanzierte Immobilie bis spätestens zum 01.06.2002 fertigzustellen oder die Verbindlichkeiten vollständig abzulösen, da aufgrund des gegebenen Zustandes der Immobilie die zu ihren Gunsten eingetragenen Grundpfandrechte in der Höhe nicht als werthaltig angesehen werden könnten.

Obwohl die Beklagte die Darlehen stets ordnungsgemäß bedient hat, kündigte die Klägerin unter Berufung auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung von April 2002, insbesondere unter Hinweis auf Nr. 26 Abs. 2 sowie Ziffer 9.3 des Darlehensvertrags Nr. … vom 25.07.1997 die gesamte Geschäftsbeziehung und setzte der Beklagten eine Frist zur Rückzahlung der Darlehensschulden und des Saldos aus dem o. g. Girokonto in Höhe von 4.890,51 € zum 15.07.2002.

Die Klägerin behauptet, die Darlehensgewährung sei unter banküblicher Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit erfolgt. Ferner habe die Beklagte ohne Rücksprache nach dem Erwerb des Hauses begonnen, das Objekt umzubauen. Um die Sicherheitsituation der Klägerin nicht zu gefährden, seien notgedrungen weitere Darlehensmittel zur Verfügung gestellt worden.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Rückzahlung des Saldos des Girokontos geltend.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.890,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin den bestehenden Girovertrag nicht habe kündigen dürfen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht zur Zeit kein Rückzahlungsanspruch aus dem Girovertrag Nr. … in Höhe von 4.890,51 € zu, da die Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung nicht wirksam erklärt wurde.

Die AGB der Klägerin sind Vertragsbestandteil geworden. Die Generalklausel der Nr. 26 Abs. 2 Satz 1 und des Regelbeispiels Nr. 26 Abs. 2 lit a sowie das ordentliche Kündigungsrecht der Nr. 26 Abs. 1 der AGB halten einer Inhaltskontrolle gem. §§ 309 bis 307 BGB stand. Klauselverbote im Sinn des §§ 308, 309 BGB sind nicht verletzt. Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten gem. § 307 BGB scheidet ebenfalls aus. Nr. 26 Abs. 2 Satz 1 der AGB der Klägerin gewährt dem Kündigenden zwar ein sehr starkes Recht, da schon bei Vorliegen eines einzigen wichtigen Grundes nicht nur der diesbezüglich betreffenden Vertrag fristlos gekündigt werden kann, sondern darüber hinaus sämtliche Verträge zwischen den Beteiligten. Dies stellt zwar eine Abweichung von den gestetzlich geregelten Kündigungstatbeständen dar, de grundsätzlich für jeden einzelnen Vertrag einen Kündigungsgrund fordern. Jedoch besteht bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Dieser ist gegeben, wenn der kündigenden Partei die Fortsetzung des Vertrages auch unter Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite nicht mehr zumutbar ist. Ob jedoch ein solcher Umstand vorliegt, der das Vertrauensverhältnis der Bank zum Kunden derart erschüttert, dass ein Festhalten an der übrigen Geschäftsbeziehung unzumutbar erscheint, ist Frage des Einzelfalls.

Auch Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Klägerin verstößt nicht gegen § 307 BGB. Danach kann die Klägerin die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn keine abweichenden Vorschriften oder Vereinbarungen dem entgegenstehen, wobei die AG hierbei den berechtigten Interessen des Kunden Rechnung tragen muss, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen darf Nr. 26 Abs. 1 der AGB entspricht damit bis auf eine Ausnahme der entsprechenden Vorschriften der Banken-AGB (Nr. 19 Abs. 1), die aufgrund des nötigen Hinweises auf die Vorrangstellung anderweitiger Vorschriften und anderweitger Parteivereinbarung unbedenklich ist. Ein wichtiger Grund, der der Klägerin gem. Nr. 26 Abs. 2 Satz 1 der AGB ein außerordentliches Kündigungsrecht gibt, wenn der Klägerin die Fortsetzung der gesamten Geschäftsbeziehungen nicht zugemutet werden kann, besteht nicht. Nach Ziffer 3 des Sicherungsvertrages für das Grundpfandrecht ist die Beklagte verpflichtet, Mängelbeseitigungen und Erneuerungen innerhalb einer angemessenen Frist auszuführen. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte auch nach Ablauf von sieben Monaten nicht nachgekommen und hat damit das Vertrauensverhältnis gestört. Diese Störung ist jedoch nicht so eklatant, dass es gerechtfertigt erscheint, der Klägerin die Möglichkeit einer kompletten Beendigung der Geschäftsbeziehungen zuzubilligen.

Zu berücksichtigten ist, dass der Privatgirovertrag mit der Beklagten gekündigt werden soll, für den als solcher kein Kündigungsgrund vorliegt. Er soll aufgrund einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung der gesamten Geschäftsverbindung durch eine Pflichtverletzung von Ziffer 3 des Sicherungsvertrages in Gestalt der unvollendeten Umbaumaßnahme gekündigt werden. Im Hinblick hierauf und auf die einschneidenden Wirkungen einer Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung muss die Erschütterung des Vertrauensverhältnisses jedoch gravierend sein, so dass an die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung hohe Anforderungen zu stellen sind.

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass eine Schädigungsabsicht der Beklagten durch die Nichtfertigstellung des behindertengerechten Umbaus nicht unterstellt werden kann. Nach dem Tod der Schwiegereltern im Jahre 1999, für die der behindertengerechte Umbau durchgeführt werden sollte, ist der Grund hierfür weggefallen. Dass möglicherweise zu diesem Zeitpunkt die gewährten Finanzmittel für den Umbau schon aufgebraucht waren, so dass davon auszugegen wäre, dass der Umbau auch dann nicht hätte vollendet werden können, wenn die Schwiegereltern nicht verstorben wären, mag man der Beklagten anlasten. Die fehlerhafte Kalkulation der Umbaukosten und eine finanzielle Überforderung der Beklagten begründen aber keine Pflichtverletzung, aufgrund dessen Klägerin eine Fortsetzung des mit den Darlehensverträgen und dem Sicherungsvertrag nicht im Zusammenhang stehenden Girovertrag schlicht unzumutbar machen.

Eine wesentliche Verschlechterung oder erhebliche Gefährdung der Werthaltigkeit der für die Darlehen gestellten Sicherheiten in Form einer Grundschuld gem. Nr. 26 Abs. 2 lit a der AGB liegen nicht vor.

Der Wert der Immobilie mag zwar durch den gegenwärtig unvollendeten Zustand unter dem von der Klägerin durch den Umbau erwarteten Wert liegen, der als solcher auch entscheidend für die Höhe der Grundschuld gewesen sein wird. Doch dieser durch den unvollendeten Umbau vorliegende Minderwert erreicht nicht die durch Nr. 26 Abs. 2 lit a geforderte wesentliche Größenordnung. Ausgehend von einer Grundschuld in Höhe von 700.000,00 DM und einem ursprünglichen Kaufpreis von 550.000,00 DM ist von den für den Umbau von der Klägerin zur Verfügung gestellten Finanzmitteln zumindest ein Teil in den behindertengerechten Umbau investiert worden, welches sich gerade im Hinblick auf behinderte Interessenten wertsteigend auswirken kann. Von einer solchen Wertsteigerung ist selbst die Klägerin ausgegangen, da sie ansonsten wohl keine Grundschuld in Höhe von 700.000,00 DM bestellt hätte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es durch den begonnenen Umbau zu keiner Wertsteigerung des finanzierten Objekts gekommen ist und der Wert der Immobilie bei den ursprünglich gezahlten 550.000,00 DM anzusiedeln ist, ist die Werthaltigkeit der Grundschuld durch den nicht fertiggestellten Umbau um rund 150.000,00 DM verschlechtert. Diese Untersicherung ist jedoch keine wesentliche Verschlechterung. Hierbei ist neben den sonstigen Umständen insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte bis zur Kündigung sämtliche Darlehen stets fristgerecht bedient hat; die Klägerin mithin keinerlei Ausfälle zu verzeichnen hatte. Andererseits ist für die Beklagte die Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung, insbesondere auch des Giroverhältnisses, über das in aller Regel sämtlicher finanziellen Dinge des täglichen Lebens einschließlich Zahlung von Mieten, Krankenverscherungen etc. abgewickelt werden, von so einschneidender Bedeutung, dass sie existensbedrohend werden kann.

Diese berechtigten Belange der Beklagten hat die Klägerin bei Ausspruch der Kündigung nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, so dass die Kündigung nicht wirksam ist. Die Voraussetzungen der in Nr. 26 Abs. 1 der AGB geregelten ordentlichen Kündigung sind ebenfalls nicht gegeben. Auch hiernach hat die Klägerin den berechtigten Belangen der Beklagten aufgrund der obigen Erwägungen nicht ausreichend Rechnung getragen.

Sonstige Kündiungsgründe sind nicht ersichtlich.

Die Klage war daher mit der Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gem. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO abzuweisen.

Dahlbokum
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